Klimaschutz für unsere Gesundheit mit Christoph Dembowski.
Normalerweise hält Dr. med. Christoph Dembowski seine Vorträge für Fachleute wie die Ärztekammer Bremen und gibt Interviews in Fachmagazinen wie G+G (Gesundheit und Gesellschaft). Wir haben es geschafft den Arzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin aus seiner Praxis im großen Rotenburg (Wümme) bis in das Haus der Bildung im kleinen Visselhövede (Vissel) zu locken, für einen Vortrag zum Thema „Gesundheit in der Klimakrise“.
Spätestens seit Hippokrates von Kos (460 v. Chr.) ist bekannt, dass unsere eigene Lebensweise uns krank machen kann. Spätestens seit Rudolf Virchow und dem Kanalisationsbau in Berlin (um 1870) ist bekannt, dass unser direktes Umfeld uns krank machen kann 💩. Und inzwischen ist eben auch bekannt, dass der ganze Planet als ein großes Ökosystem uns krank machen kann.

Was macht uns krank?
Es gibt ökologische Grenzen auf der Erde, die wir einfach nicht ohne extreme Auswirkungen (auf unsere eigene Gesundheit) überschreiten können.
Festgehalten wurden diese globalen Belastungsgrenzen in neun einzelnen Bereichen von Johan Rockström und seinem Team in 2009. Inzwischen ist das Konzept weit verbreitet, akademisch akzeptiert und zum Beispiel auch im „Integrierten Umweltprogramm 2030“ des Bundesministeriums für Umwelt beschrieben. Häufig wird dieses Prinzip vereinfacht mit einer Art Tortendiagramm, wie dem folgenden, dargestellt.

Je größer der rote Balken in einem Bereich ist, desto schlechter; solange er noch im grünen Bereich ist, sind wir auf der sicheren Seite. Das ist zur Zeit aber eben nur noch in 2,5 von 9 Bereichen der Fall (mit Ausnahme der 1,5 Bereiche ohne definierte globale Grenzlimits). Die Veränderung in den anderen Bereichen muss mindestens gestoppt werden – wenn sie nicht zurückgedreht werden kann – für einen funktionierenden gesunden Kreislauf im globalen Ökosystem.
Diese Grafik zu interpretieren, fühlt sich an wie eine Übungsaufgabe in der Schule. In Wirklichkeit ist es aber ein super schlechtes Zeugnis mit großem Nachholbereich in fast allen Fächern. Ein deutliches Ergebnis, das man lieber einfach verstecken möchte anstatt anzugehen – und genau das tun viele auch.
Gemeinsam mit Dr. Dembowski haben wir uns jedoch die Zeit genommen und sind alle neun Bereiche und deren Auswirkungen durchgegangen, um sie besser zu verstehen. Vor allem haben wir uns aber natürlich auf die Klimakrise konzentriert, welche jedoch mit vielen der anderen Bereiche große Überschneidungen hat.

Wälder werden abgeholzt um Futter für Viehzucht anzupflanzen. Das führt zu Probleme im Bereich Landnutzung. Das führt aber auch zu weniger Pflanzen, die CO₂ aufnehmen und mehr Vieh, das Treibhausgase ausstößt. Beides befeuert dann die Klimakrise.
Auf der anderen Seite steht dann die Versauerung der Meere, durch den erhöhten CO₂ Anteil in der Luft, der vom Meer aufgenommen wird. Die kleinsten kalkbildenden Lebewesen, können eben dies dann nicht mehr tun. Die Nahrungskette bricht von unten auseinander, bis hoch zu uns. Der Bereich Ozeanversauerung leidet also unter der Klimakrise und wir wiederum unter beidem.
Es hängt so viel zusammen und zu wenig ist in einem akzeptablen Zustand. Pflanzen- und Tierarten erobern neue Gebiete mit dem veränderten Klima und bringen regional unverträgliche Krankheiten mit sich. Steigende Temperaturen verschlimmern kleinere gesundheitliche Probleme in bisher unbekannte Risikobereiche. Beschuss von einfach allen Seiten.
Von allem wird es mehr geben – mehr Herzinfarkte, mehr Schlaganfälle, mehr Kreislaufzusammenbrüche, verschlechterte Wundenheilung und auch psychische Belastungen sind einige der Folgen. „Man kann nicht davor weglaufen; man ist dem ausgesetzt“, war ein gruseliger realer Kommentar dazu von unserem Redner.

Was können wir dagegen tun?
Wir können wirklich echt viel tun und leider viel zu wenig. Dr. Dembowski hatte nicht nur gesundheitliche Probleme dabei, sondern auch Lösungsansätze.
Mobilität, Ernährung und Konsum sind Stellschrauben, an denen wir selbst viel drehen können. Regional kaufen und am besten unverpackt, um weniger Treibhausgase und Plastik zu produzieren. Den Privatjet öfter mal stehen lassen und stattdessen den Zug nehmen. Weniger Fleisch essen, ist auch ein großer Punkt, zum einsparen von Fläche und Treibhausgasen.
Wuhuu
– Wim Liefers (vegan)
Wir können selbst viel tun. Aber wir sind leider nur eine kleine Gruppe Vissler:innen. Deswegen müssen wir auch noch mehr einfordern. Konkret sind wir ja auch schon dabei mit der Teilnahme an den Globalen Klimastreiks von Fridays for Future, direkten Gesprächen mit der lokalen Politik und der Veranstaltung von Podiumsdiskussion, aber da geht auch noch mehr. Wir bleiben an diesen Themen dran, denn die benötigten Veränderungen zum Wohle der Menschlichen Gesundheit gehen weit über unsere persönlichen Entscheidungen hinaus. Es braucht Druck!

Es wurde die Rolle der Medien angesprochen, der Politik und der Wissenschaftler. Viele von ihnen ignorieren weiterhin die Ernsthaftigkeit der Lage oder werden selbst ignoriert, wenn sie die Klimakatastrophe ansprechen. Dabei ist das ganze schon seit Ewigkeiten kein wages Konzept mehr.
Wir warten nicht mehr auf die Wissenschaft, wir warten auf unsere Handlungsträger, die im Angesicht der lange bekannten Fakten einfach weiterhin ihre Arbeit verweigern. Spätestens der erste Klimabericht des Weltklimarates der Vereinten Nationen (IPCC) in 1990, war ein klarer Arbeitsauftrag an alle Regierungen der Mitgliedsstaaten. Kaum bis nichts ist passiert.
It’s not that we are depending on something that still needs to be invented
World is on brink of catastrophic warming, Washington Post; 20.03.2023
– Friederike Otto (Leitautorinnen IPCC)
Eine Woche nach diesem Vortrag von Dr. Christoph Dembowski, ist nun der 6. Bericht abschließend veröffentlich worden. Er wird sehr wahrscheinlich der letzte sein, bevor wir die 1,5°C-Grenze durchbrechen, wenn nicht GANZ SCHNELL & DRASTISCH gehandelt wird… Wieder ist nichts von einer Sofortmaßnahme zu sehen. Es gibt keine Worte mehr. AHHHHHHHHHHHHH!!!!!!!!!
Der IPCC legt für seine Ergebnisse keine Tarotkarten, sondern ist faktenbasiert mit konkreten Auswirkungen und Lösungsansätzen. Hunderte Wissenschaftler arbeiten Jahrelang an diesem Bericht und tausende mehr sammeln dafür Daten, stehen hinter dem Bericht und kommen auf die gleichen Ergebnisse. Die Statistiken haben sich nur noch konkretisiert und verschlechtert. Worauf wird gewartet? Hallo?
Friederike Otto ist Leitautorin des Kapitels über Wetter und extreme klimatische Ereignisse. Sie Klimaaktivistin und Wissenschaftlerin aus Deutschland, so wie unser Dr. Christoph Dembowski. Und auch ihr Kommentar in der Washington Post klingt ähnlich frustriert und verwundert, wie auch einige Aussagen von unserem Redner an diesem Abend: “We actually have all the knowledge we need. All the tools we need. We just need to implement it.”

Moral von der Geschichte
Der Vortrag hat etwas unter einer Stunde gedauert, dann wurde nochmal ungefähr gleich lange in einer Fragenrunde diskutiert und anschließend gab es einige lockere, konstruktive, offene Unterhaltungen. Ein echt komplexes Thema über das Dr. Dembowski da referiert hat und zu dem es super viele Gedanken von allen Anwesenden gab. Ein Thema das größer ist, als man in einem Beitrag wie diesem festhalten könnte.
Aber auch ein Thema, das eigentlich lange schon bekannt sein sollte und eigentlich einfach nur noch angegangen werden muss. Das große Thema Klimakrise und nun die eigene Gesundheit als weiterer Grund um zu handeln. Tausende Wissenschaftler machen ihren Job und unsere Entscheidungsträger eben nicht. Sie lassen uns, unsere Zukunft, zukünftige Generationen und die komplette Menschheit weiter im Stich.
Klimakrise ist ein medizinischer Notfall!
– Dr. med. Christoph Dembowski
„Man kann nicht zugucken, wenn der Planet stirbt. Man kann nicht abwarten – ’das wird von alleine besser’. Man muss anfangen etwas zu tun, um das Leben des Planeten zu retten.“ – ein trauriges, motivierendes, echtes Statement, das den Vortrag eingeleitet hat und nun unsere/deine Zukunft einleitet. Wir müssen etwas tun! Wir werden etwas tun! Wir starten da wo wir es können – hier in Vissel!

Vielen vielen Dank an Christoph für diesen wundervollen gedankenanregenden Vortrag. Ein Thema, das mehr Aufmerksamkeit verdient. Wir nehmen es mit und teilen es gerne hier und anderorts.
Welchen Redner würdest du gerne mal nach Vissel locken?
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Schau dir gerne auch an, was unser letzter Gastredner zu sagen hatte:
Weniger mit Niko Paech